Warum die Student-t-Verteilungsfunktion relevant für analytische Messungen ist

Wie bereits in einem früheren Blog erläutert, kann man grundsätzlich mit Hilfe statistischer Methoden die Abweichung von Messungen abschätzen. Allerdings wird für die Abschätzung der Standardabweichung mittels Stichprobe der Grundgesamtheit eine vergleichsweise große Zahl von Messungen benötigt. Bei der analytischen Bestimmung von Werkstoffproben messen wir dagegen eine vergleichsweise geringe Anzahl von Proben, in der Regel nur 5 bis 10 Stück. Diese wenigen Proben müssen ausreichen, um z.B. eine LKW-Ladung oder den Inhalt einer Gießpfanne zu repräsentieren. Bei dieser geringen Probenzahl liefern die Basisformeln für die Berechnung der Standardabweichung einer Normalverteilung jedoch keine verlässlichen Aussagen über die Messabweichung. Glücklicherweise können wir aber auf Erkenntnisse zurückgreifen, die Anfang des 20sten Jahrhunderts ein schlauer Kopf beim Bierbrauen entwickelte.

William Sealy Gosset, Wikipedia.org

William Sealy Gosset, Wikipedia.org

William Sealy Gosset und Guinness

William Sealy Gosset war nicht nur Braumeister der Guinness-Brauerei in Dublin sondern auch Statistiker. Er fragte sich, wie er herausfinden konnte, mit welcher Sorte Gerste - Grundbestandteil von Bier - sich der höchste Ertrag erzielen lässt. Er erkannte sehr bald, dass die geringe Anzahl von Proben ein Problem darstellte, denn so manches Mal stand er vor der Herausforderung, auf der Grundlage von nur drei Gerstenkörnern aussagekräftige statistische Schlüsse zu ziehen.

In seiner 1908 veröffentlichten Schrift „Die Fehlerwahrscheinlichkeit eines Mittels“ (The Probable Error of a Mean), beschreibt er das Problem wie folgt:

wenn wir die Anzahl von Versuchen immer weiter verringern, unterliegt der Wert der Standardabweichung, den wir aus der Stichprobe der Versuchsergebnisse ermitteln, einer zunehmend größeren Unsicherheit, die schließlich zu völlig irreführenden Schlussfolgerungen führt.“

Gosset entwickelte aus diesen Überlegungen die sogenannte Student-t-Verteilungsfunktion (Gosset schrieb die Abhandlung unter dem Pseudonym „Student“ - daher der Name) und veröffentlichte Tabellen mit Werten, mit denen man auch bei sehr kleinen Stichproben die Abweichung berechnen konnte. Die Verteilung ist breiter und flacher als bei der Normalverteilung und erlaubt mehr Ausreißer bei den Messungen. Wird die Zahl der Messungen erhöht, nimmt die Verteilung mehr und mehr die Form einer klassischen Normalverteilungskurve an.

Die Student-t-Verteilungsfunktion

Nach der t-Verteilungsfunktion wird das Vertrauensintervall ausgedrückt mit:

uc= x̅ +/- Tx

Mit:
: Durchschnitt der gemessenen Werte
TX: Wert der t-Verteilungsfunktion. Dieser Wert wird mit der folgenden Formel berechnet:

Tx= (t (f,P) x s / N1/2

Mit:
t: Tabellarischer Wert, abhängig von f (Anzahl der Freiheitsgrade)
und P (der gewünschten statistischen Sicherheit).
s: Standardabweichung der Messreihe. (Alternativ, wenn verfügbar: Standardabweichung der Methode)
N: Anzahl der durchgeführten Analysen

Anwendung der t-Verteilungsfunktion bei Werkstoffanalysen

Im Folgenden wollen wir anhand von konkreten Analyseergebnissen für das Element Chrom Schritt für Schritt erläutern, wie mit der Student-t-Verteilungsfunktion ein Vertrauensintervall berechnet werden kann.

Durchschnitt von 10 Messungen: 18,54 %
Standardabweichung: 0,1%

Die Wahrscheinlichkeit soll 95 % betragen. Daher arbeiten wir mit folgenden Werten:
N: 10 (10 Messungen)
s: 0,1% (Standardabweichung aus der obenstehenden Tabelle entnommen)
t: 2,262 (tabellarischer Wert für das Vertrauensintervall 95.9 und 10 Proben, f = n-1)

Daraus folgt:

Tx = (2·262 × 0·1%) / 3·162 = 0·072 %

Für unser Vertrauensintervall gilt:

uc = x + /- Tx

x: 18,54 (Mittelwert der Messergebnisse, aus der obenstehenden Tabelle entnommen)

uc (95.9) = 18.54 % +/- 0.07 %

Das bedeutet: Wir können zu 95 % sicher sein, dass der wahre Wert für den Chromanteil zwischen 18,47 % und 18,61 % liegt.

Interessant ist hierbei, dass sich aus der t-Verteilungsfunktion ein Vertrauensintervall ergibt, das kleiner ist als die Standardabweichung. Das heißt: Unsere Werkstoffanalysen sind in Wirklichkeit präziser als es die üblichen statistischen Methoden nahelegen.

Eine Voraussetzung für die Anwendung dieser Berechnungsmethode ist allerdings, dass Sie mit Ihrem Analysegerät eine ausreichende Anzahl Messungen der einzelnen Proben durchführen und die Probennahme repräsentativ für die Grundgesamtheit ist.

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In unserem Leitfaden „Die Suche nach den wahren Werten“ beschäftigen wir uns eingehend damit, wie man das Vertrauensintervall von Materialanalysen mit hoher Genauigkeit berechnen kann. In diesem Leitfaden zeigen wir anhand von konkreten Messungen, wie Sie die wahre Abweichung Ihrer Messungen auch dann abschätzen können, wenn Ihnen bestimmte Informationen nicht vorliegen. Registrieren Sie sich noch heute unter diesem Link, um unseren Leitfaden zu downloaden.




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Datum: 26 September 2019

Autor: Jochen Meurs, Manager Global Application & Knowledge Centre

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